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Michael Sharp, für viele „der Mike“, ist eines der Urgesteine der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft. Das hängt zweifellos auch damit zusammen, dass er für eine der großen Stellschrauben bei der VAG mit verantwortlich ist. Die betrieblichen Auswirkungen von Veranstaltungen und Baumaßnahmen gehören zu seinem Aufgabenbereich. Das bedeutet, er und sein Team sorgen dafür, dass es bei Veranstaltungen und Baumaßnahmen ein Angebot, wenn auch ein angepasstes, gibt. Sie organisieren in Absprache mit der Leitstelle den Betrieb zudem vor Ort.
Michael Sharp ist seit 42 Jahren bei der VAG beschäftigt, hat als Ortstellwerker angefangen und ist nach diversen Stationen seit 26 Jahren im Geschäftsbereich Steuerung Betrieb „Leiter Verkehrsmeister Baumaßnahmen“. Sein Chef ist Andreas May, Betriebsleiter der VAG. Das zeigt: Sharp und sein tatsächlich „nur“ 15 Mann-starkes Team haben vor Ort Weisungsbefugnis.
Jede Menge zu tun: Fanmarsch und Baustellen
Auch in diesem Jahr gibt es für das Team jede Menge zu koordinieren. Eine besondere Herausforderung gab es zweifellos im Zusammenhang mit dem Club-Fanmarsch aus Anlass des 125-jährigen Jubiläums des Nürnberger Traditionsvereins. Wir haben mit Michael Sharp über den Fanmarsch wie über seine sonstigen Aufgaben gesprochen.
Michael Sharp im Gespräch
Mike, Stichwort Fanmarsch. Wie war’s?
Michael Sharp: „Der war zweifellos besonders – da schlägt mein Glubberer-Herz jetzt noch höher. Es war aber auch eine Herausforderung. Fußballfans sind definitiv etwas Besonderes und in großer Anzahl auch spannend. Die Fans des 1. FCN hatten eine bestimmt Wunschroute und auf diese mussten wir uns seitens der Stadt, der Polizei und der VAG einstellen.
Auch wenn die Genehmigung erst kurzfristig, nämlich am Freitag, erfolgte: Wir waren vorbereitet, hatten unser Konzept schon ausgearbeitet und mussten es nur noch verteilen. Alle wichtigen Ansprechpartner hatten wir schon vorab informiert und mit ihnen durchgesprochen, wie es laufen kann. Beispielsweise mit den Kollegen, die für die Fahrleitung zuständig sind. Der Fanmarsch zog entlang unserer Straßenbahnlinien in der Südstadt. Hier haben wir schon vorab besprochen, dass wir entlang der Route kurzfristig die Oberleitung stromfrei schalten, damit nichts passiert. Im Fanzug war ja auch ein Doppeldeckerbus dabei. Mit dem Fahrer habe ich vorher schon geklärt, wo es kritisch werden könnte, was er und die Fans auf dem offenen Deck beachten müssen. Da sind wir auf sehr viel Verständnis für unsere Belange gestoßen. Klar auch im eigenen Interesse, aber es ist gut, wenn man weiß, dass man sich darauf verlassen kann.“
Der Jubliäums-Fanmarsch der Clubberer
Wie lief es denn dann tatsächlich ab?
„Ich war schon um 7.30 Uhr an der Lorenzkirche, dem Startpunkt des Fanmarsches, um mir das persönlich anzuschauen. Es war da schon absehbar, dass es an die 15.000 Fans werden, die mitmarschieren. Um 8.00 Uhr habe ich mich mit allen Kollegen, die vor Ort eingeteilt waren, am Hauptbahnhof zur Einsatzbesprechung getroffen. Insgesamt waren wir zwölf. Von der Fahrgastinfo bis zur Absicherung des Zuges und unserer Einrichtungen reicht das Aufgabenspektrum bei so einer Veranstaltung. Wir wussten, dass in der Südstadt alle Straßenbahnen stehen werden, wenn der Fanmarsch von der Pillenreuther in die Wölckernstraße Richtung Peterskirche einbiegen wird.
Kritische Momente mit den Clubberern?
Logisch, dass auch Rauchtöpfe und Pyrotechnik gezündet wurden. Aber, das muss ich sagen, die Fans waren sehr diszipliniert und sind ziemlich zügig gelaufen, was gut war, weil der Fanmarsch bereits um 9.50 Uhr die Fliegerstraße passiert hat. Das war sehr wichtig, weil so der Korso mit historischen Straßenbahnen, zum Jubiläum des Historischen Straßenbahndepot, pünktlich starten konnte. Das war eine zusätzliche Herausforderung am 4. Mai.
Über Funk haben wir uns mit der Leitstelle und den Fahrer*innen auf den Planzügen verständigt. So konnten wir ganz schnell nach dem Fanmarsch und vor dem Jubiläumskorso die ersten Fahrgäste wieder ans Ziel bringen. Damit der Start des Regelbetriebes gut laufen konnte, hat sich ein Kollege unmittelbar ans Ende des Fanmarsches geheftet und überprüft, ob die Strecke befahrbar ist, ob etwas liegen geblieben oder gar beschädigt worden ist. Die Fans hatten sich ja über die gesamte Fahrbahnbreite verteilt und sind auf unseren Schienen gelaufen.
Gute Abstimmung mit der Polizei ist alles
Die Polizei ist immer dabei oder?
Bei Fanmärschen, Umzügen und auch Demos arbeiten wir eng mit der Polizei zusammen. Die Zusammenarbeit war wieder tipptopp. Wichtig ist, schon im Vorfeld Gespräche zu führen, sich dann unmittelbar vor dem Ereignis nochmals vor Ort abzusprechen. Die Polizei muss wissen, welche Maßnahmen wir in bestimmten Fällen vorsehen und umgekehrt muss sie uns in bestimmten Situationen mit auf dem Radar haben. Es ist gut, wenn man sich kennt, weiß, was der jeweils andere alles auf dem Schirm haben muss. Und wichtig ist es, klar und freundlich zu kommunizieren, dann bleiben alle ruhig.
Was ist mit den „normalen“ Fahrgästen?
Wichtig ist im Vorfeld auch die Pressearbeit, die Fahrgastinformation, damit sich unsere Fahrgäste darauf einstellen können. Die Info geht über die unterschiedlichen Kanäle raus und idealerweise gibt es auch vor Ort Infos. Klar, es sind immer Fahrgäste dabei, die es nicht lesen, nicht hören, aber das sind erheblich weniger als ohne breite Info vorab, reduziert die Probleme, eventuell auch Ärger. Wenn möglich geben wir Tipps, wie man dennoch ans Ziel kommt. Und im Fall des Falles und wenn es möglich ist, zeigen wir Herz und helfen auf unkonventionelle Art, wie im Fall einer Urlauberin, die dringend zum Zug musste, auch weil dort die Reisegruppe wartete, für die sie verantwortlich war. Ja, das kann man mal machen. Wenn man lange genug alles Mögliche gemanagt hat, weiß man, ob es geht oder nicht.“
Wie managt man ein Heimspiel
Danke, Mike für den Einblick, die Erläuterungen. Da ahnt man, was alles wichtig ist, dass es gut läuft. Wie managt Ihr ein „normales“ Heimspiel?
„Über alle Jahre haben wir die Erfahrung gemacht, dass es das Beste ist, wenn wir Fußballfans, die mit der Bahn in Nürnberg ankommen, mit einer extra U-Bahn zum U-Bahnhof Bauernfeindstraße bringen. Wir haben dann zwar eine kurze Verzögerung im Regelbetrieb, aber es läuft doch sehr viel geschmeidiger, als wenn die Fußballfans in reguläre U-Bahnen drängen. Gut ist ja, dass die Eintrittskarten zu den Clubspielen den Fahrschein beinhalten.
Glücklicherweise verhalten sich viele Fußballfans vernünftig. Das ist eine Folge eines Zwischenfalls vor Jahren, als ein Fußballfan einen Feuerlöscher auf eine fahrende U-Bahn geworfen hat. Fußballfans werden von der Polizei begleitet, so dass diese sofort eingreifen kann. Hilfreich sind auch die Gespräche mit den Fanbeauftragten, die wiederum auf die Fußballfans einwirken.“
Veranstaltungen: Vorbereitung ist alles
Wie sind die Herausforderungen in der Blauen Nacht oder bei den Konzerten im Luitpoldhain? Anders?
„Hier zieht es selbstverständlich viele in die Stadt. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Die Anreise ist da eher nicht das Thema. Vor allem bei den Konzerten im Luitpoldhain ist die Abreise die Herausforderungen, weil dann alle möglichst schnell nach Hause möchten. Auch hier hilft allen VAGlern, die vor Ort zur Steuerung des Betriebs stehen, die Absprache mit der Polizei, der kurze Draht zu dieser und zur Leitstelle. Aber es hilft auch, wenn den Fahrgästen klar ist, dass der Abtransport etwas dauern wird, dass nicht alle in das erste Fahrzeug kommen. Einfach locker bleiben, am besten noch etwas den schönen Abend auf der Konzertwiese ausklingen lassen und dann erst den Heimweg antreten. Dann sind die Bahnen leerer und die Straßen freier. Das gilt auch für die Veranstaltungen am Flughafen. Klar, mit der U-Bahn haben wir freie Fahrt, die Bahnen können mehr Menschen auf einmal aufnehmen, aber dennoch: Auch da sind die Kapazitäten endlich und es gilt auf die nächste Bahn zu warten.
Der Worste-Case?
Das Schlimmste im Fall einer Großveranstaltung, wenn es plötzlich regnet. Das hatten wir mal am Ende eines Konzerts im Luitpoldhain. Da gibt es im wahrsten Sinne des Wortes auf der ganzen Bandbreite kein Halten.“
Alltag: Kundgebungen
Was fordert Euch abseits der Großveranstaltungen?
„Aktuell ganz klar die Kundgebungen am Montag. Vor allem, wenn sich durch die Demos Probleme, die wir eh schon haben, beispielsweise durch Baustellen, verstärken. Die Demos gehen meist von 18.00 bis 21.00 Uhr, also liegen voll im Feierabendverkehr. Wir hoffen, dass es dem Ordnungsamt gelingt, die Kundgebungsorte, Routen so zu beeinflussen, dass der ÖPNV und damit unsere Fahrgäste nicht mehr so darunter leiden wie bisher. Die haben Termine, müssen etwas erledigen, das Kind abholen und werden ausgebremst. Wir hoffen da auf Verständnis bei den Demonstrierenden für unser Kund*innen.“
Alle Jahre wieder: Es wird gebaut
Apropos Baustellen: Da wird es auch nie langweilig oder?
„In jedem Fall nicht. Am liebsten wären uns keine oder weniger, aber wir müssen unser Netz in Schuss halten. Mein Team ist hier gemeinsam mit den Fahrplanern eng vernetzt. Die Fahrplaner überlegen, wie das Angebot aussehen könnte, wir überlegen, wie der Verkehr geleitet werden kann, was es vor Ort braucht, dass sich die Fahrgäste zurechtfinden, dass diese sicher ein- und aussteigen können, aber auch die Bauarbeiten gut laufen.
Alles im Blick behält dann im Alltag unsere Leitstelle. Die Kolleginnen und Kollegen dort sind gefordert, vor allem, wenn dann noch Staus dazukommen, Unfälle unsere Fahrzeuge ausbremsen. Dann macht es sich bezahlt, dass die Leitstellenmitarbeiter*innen selbst schon auf Strecke waren, wissen, wie sie beispielsweise einen Bus umleiten können oder wie der Straßenbahnbetrieb ggf. in Kombi mit Taxi-Ersatzverkehr organisiert werden kann, so dass unsere Fahrgäste ans Ziel kommen, wenn auch verspätet.“
Läuft es denn immer rund mit Baustellen?
„Leider nicht. Wir haben teils neu Probleme. Dann nämlich, wenn es aus irgendwelchen Gründen kurzfristig Änderungen braucht, müssen bei uns alle an einem Strang ziehen, sich neu orientieren. Da müssen wir dann die Fahrdienstkolleginnen und -kollegen um Nachsicht und Flexibilität bitten. Das ist selbstverständlich blöd, wenn dann der lange vorausgeplante Dienstplan nicht mehr passt, weil sich der Beginn einer Straßenbaustelle, warum auch immer, verschiebt. Manchmal fehlen die Planer, manchmal kann die Baufirma nicht, wie geplant starten.“
Persönlicher Ausblick
Mike, nachdem wir beide die 60 schon geschafft haben: Wie lange bleibst Du der VAG mit Deinem Erfahrungsschatz noch erhalten?
„Ja, so langsam geht es auf die Rente zu. Logisch mit dem berühmten lachenden und weinenden Auge. Was mich aber freut, dass es mir der Betrieb ermöglicht, meinen Nachfolger zeitig einzuarbeiten. Das geht nicht nebenbei und das geht nicht binnen vier Wochen. Dafür sind die Aufgaben zu breit, selbst wenn man auf ein gutes Team setzen darf wie ich. Ein gutes Jahr bin ich noch an Bord. Ich bin mir sicher, die Zeit fliegt. Es gibt jede Menge zu tun.“
Michael Sharp, sagt’s, lacht und strahlt, um zur nächsten Besprechung zu eilen.
Ein P.S. noch hinterher
Mike Sharp wäre ohne seine Sonja nicht komplett. Auch sie ist mit Leib und Seele VAGlerin. Seit 33 Jahren ist sie bei der VAG. Wie Ihr Mann Michael hat sie als Fahrerin angefangen und arbeitet jetzt bereits seit 20 Jahren am Servicetelefon der VAG.
Foto: VAG – Claus Felix
Text: Elisabeth Seitzinger
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