Inhalt dieses Artikels
„Die Fachabteilung hat ganze Arbeit geleistet.“ Mit diesen lobenden Worten informierte Jörg Schramm, Koordinator in unserer Zentralen Betriebsleitstelle, am Donnerstag, 17. Juli 2025 intern über die Wiederaufnahme des Betriebs der Straßenbahnlinie 5 auf der Strecke Frankenstraße – Worzeldorfer Straße.
Geduldsprobe für alle
Nach drei Tagen Ersatzverkehr mit Bussen zwischen der Frankenstraße und Worzeldorfer Straße konnten wir unseren Fahrgästen am Donnerstag kurz nach 12.00 Uhr wieder Normalbetrieb für die Straßenbahnlinie 5 zwischen Tiergarten und Worzeldorfer Straße bieten. Kein Umsteigen mehr.
Was war passiert?
Seit Montag, 15. Juli, 12.11 Uhr stand auf dem Streckenabschnitt Frankenstraße – Worzeldorfer Straße der Betrieb still. Grund: ein Oberleitungsschaden verursacht durch einen Lkw mit Kranausleger. Dieser war nicht eingefahren, berührte, als er am Trafowerk die Straße unter der Oberleitung queren wollte, diese. Und er berührte sie nicht nur. Der Fahrdraht riss in beiden Fahrtrichtungen. Die Stromversorgung wurde unterbrochen.
Glücklicherweise ist nur Sachschaden entstanden, wenn auch erheblicher.
Für den Betrieb hieß es: Schnell Ersatzverkehr organisieren und für die Kollegen vom Team Oberleitung voller Fokus auf die Reparatur.
Voller Fokus auf die Reparatur
Drei Tage später war die Oberleitung repariert. Eine Topleistung des Teams um den Leiter Fahrleitung des VAG-Geschäftsbereiches Fahrweg, Arnulf von Schumann. Das gesamte 19 Mann starke Team fokussierte sich auf die Reparatur, ließ alle anderen geplanten Arbeiten liegen, die nicht zwingend sein mussten.
Teil-Rekonstruktion der Reparaturarbeiten
Normalerweise sind Oberleitungsschäden binnen weniger Stunden oder über eine Nacht repariert. In diesem Fall aber eben nicht, weshalb wir beschlossen haben, die Kollegen vor Ort zu besuchen und einen Beitrag für unseren Blog zu schreiben.
Erster Akt: Schadensanalyse
Als Arnulf von Schumann mit Kollegen, die wenigen hundert Meter von seinem Arbeitsplatz im Straßenbahnbetriebshof an der Heinrich-Alfes-Straße zur Schadensstelle am Trafowerk gelaufen war, war ihm sofort klar, dass dieser Schaden größer war, mehr Zeit für die Reparatur benötigt werden würde als normalerweise.
800 Meter gerissener Fahrdraht
Der Fahrdraht für die Straßenbahn war auf einer Länge von insgesamt 800 Metern, pro Fahrtrichtung 400 Meter, gerissen. Durch den Zug, der auf die gesamte Oberleitung gekommen war, war aber nicht nur der Fahrdraht gerissen. Es waren auch viele andere Bauteile, wie beispielsweise Spanndrähte und Verankerungen an Bauwerken, beschädigt. Sogar die rund 800 Meter entfernten Nachspanneinrichtungen an der Rangierbahnhofsbrücke waren beschädigt. Sie halten den Fahrdraht bei Temperaturschwankungen auf Spannung. Sie ziehen ihn nach, wenn er sich bei Wärme und Hitze dehnt, geben zu, wenn er sich bei Kälte zusammenzieht. Dafür werden in speziellen Körben Gewichte bewegt. Die Gewichte hingen nun schräg im Korb. Bauteile waren durch die Wucht beschädigt worden.
Am Montag: Voller Fokus auf die Stromversorgung
Durch den Schaden an der Oberleitung war auch das Betriebsgleis in den Straßenbahnbetriebshof stromlos. Das bedeutete, dass weder Züge in den Betriebshof fahren konnten noch aus diesem heraus. Zudem konnte die Straßenbahnlinie 5 die Haltestelle Frankenstraße nicht mehr anfahren, konnte nicht wenden. Sie fuhr deshalb zunächst zur Christuskirche und wendete da.
Deshalb kümmerte sich ein Teil des Oberleitungsteams eiligst um die Wiederherstellung der Stromversorgung vom Straßenbahntunnel in der Katzwanger Straße Richtung Frankenstraße.
Gegen 14.00 Uhr war dies geschafft. Die Straßenbahnlinie 5 konnte die Fahrgäste bis zur Haltestelle Frankenstraße bringen, diese dort in einen Ersatzbus steigen. Und die Straßenbahn konnte über den Betriebshof Richtung Tiergarten wenden. Für den Betrieb schon einmal ein Fortschritt.
Aber nicht nur das. „Alle Straßenbahnen konnten am Abend in den Betriebshof einrücken, in der Abstellhalle auf den Einsatz am nächsten Morgen warten. Nur zwei Bahnen zwischen Trafowerk und Worzeldorfer Straße mussten nachts von einem Sicherheitsdienst bewacht werden“, so der Leiter Fahrleitung. „Eine große Erleichterung für den Betrieb.“
Die erste Nachtschicht
Während ein Teil des Teams Fahrweg die Stromversorgung wieder herstellte, waren die Kollegen am Montagnachmittag damit beschäftigt, den Schaden aufzunehmen, den Unfallort aufzuräumen und die nächsten Arbeiten in der nahen Werkstatt vorzubereiten.
„Wir haben uns sofort darauf verständigt, dass wir uns so weit als möglich auf die Reparatur konzentrieren, alle geplanten Arbeiten verschieben. Glück war aber, dass wir Teams für Arbeiten eingeteilt hatten, die nur spätabends und in der Betriebsruhe gemacht werden können. Wir arbeiten ja nicht immer rund um die Uhr“, so von Schumann. „Ich habe die Kollegen dann um 21.00 Uhr informiert. Was wir schon erledigen konnten, was in der Nacht von Montag auf Dienstag zuerst gemacht werden sollte.“ Und er ergänzt: „Es ist super, wenn man sofort merkt, dass alle voll fokussiert sind.“
Die Aufgaben der ersten Nachtschicht: Der restliche Fahrdraht sowie weitere Bauteile mussten demontiert und weggeräumt werden. Schließlich konnte die Nachtschicht noch mit der Montage von sogenannten Hilfsankern beginnen.
Dienstag: Tag 2 der Reparaturarbeiten
Am zweiten Tag konzentrierte sich die Tagschicht auf die vorbereitenden Arbeiten für die nächste Nachtschicht. Diese sollte nämlich den Fahrdraht ziehen und provisorisch mittels Karabinerhaken an Auslegern und Querverspannungen ziehen. Beispielsweise fertigte die Tagschicht abgerissene Verspannung in der Werkstatt an und montierte diese. Die Nachtschicht war dann gut beschäftigt, den Fahrdraht zu ziehen. Glücklicherweise waren die notwendigen 800 Meter auf Lager.
Mittwoch: Tag 3 der Reparaturarbeiten
Besuch auf der Baustelle: Arnulf von Schumann nimmt sich Zeit, um uns die Schäden zu zeigen. Er wird nicht müde, uns zu berichten und zu erklären. Vor allem aber ist er voll des Lobes für die Mannschaft und was diese seit Montagmittag geschafft hat. „Es ist wirklich ein Hand in Hand arbeiten. Alle können alle Arbeiten, sind bestens qualifiziert. Selbst unser Auszubildender, ein angehender Anlagenmechatroniker im zweiten Ausbildungsjahr, macht mit und steht auf dem Turmwagen. Würden wir, wie normalerweise häufig unter Spannung arbeiten, wäre das nicht möglich. Aber bei stromloser Oberleitung können wir ihn bereits als zweiten Mann auf dem Turmwagen einsetzen. Und er macht seine Sache gut, lernt in der Situation richtig viel und hat sichtbar Freude an der Arbeit.“
Der Fahrdraht muss richtig liegen
Arnulf von Schumann: „Im Moment wird die richtige Lage des Fahrdrahtes auf der gesamten Länge nochmal überprüft. Er wird übrigens im Zick-Zack-Verfahren verlegt, verläuft also nicht schnurgerade. Schließlich muss der neue Fahrdraht mit dem alten gestoßen werden. Und dann muss der Fahrdraht endgültig gespannt werden, die Zugspannung des Fahrdrahts muss passen. Dann bringen wir die Gewichte in der Nachspanneinrichtung in die richtige Position, damit sie bei Temperaturwechsel den Fahrdraht auf Spannung halten. Das Auszutarieren erfordert tatsächlich Genauigkeit und viel Erfahrung.“
Dritte Nachschicht
In der dritten und letzten Reparaturnacht stellen die Oberleitungsmonteure die Spannung schließlich zwischen der Bestandsstrecke Richtung Frankenstraße und der reparierten Oberleitung wieder her. Dies kann nur in einer Nachtschicht gemacht werden, weil sonst die Frankenstraße und der Betriebshof nicht mehr angefahren werden können. Außerdem muss das Team noch die Strom- und Kabelbrücken in Kreuzungsbereichen erneuern.
Tag 4: Der letzte Akt am Donnerstagvormittag – Kontrolle
„Auch, wenn wir sehr genau arbeiten“, so Arnulf von Schumann, „die abschließende Kontrolle ist unerlässlich. Das ist die Qualitätskontrolle, die sicherstellt, dass wir den Betrieb wieder gesichert aufnehmen können.“
Nochmals wird deshalb die Lage des Fahrdrahts überprüft. Dann macht ein Team der Fahrleitungsmonteure mit dem Turmwagen und ausgefahrenem Pantografen eine Abnahmefahrt. „Der erste Test, ob der Pantograf geschmeidig über den Fahrdraht streift“, so von Schumann.
Und schließlich fährt ein Kollege der Fahrschule noch mit einem Straßenbahnzug den Streckenabschnitt in beiden Fahrtrichtungen ab – ohne Fahrgäste. „Wir wollen ganz sicher gehen, dass alles optimal verlegt ist. Ein Straßenbahnzug hat eine andere Wirkung auf die Oberleitung als der Turmwagen“, erläutert von Schumann. Aber auch hier gibt es ein Okay und die Strecke kann kurz vor 12.00 Uhr freigeben werden. Alles auf Grün für die erste reguläre Fahrt mit Fahrgästen kurz nach 12.00 Uhr.
Arnulf von Schumann: „Ein bisschen stolz sind wir da schon gewesen. Das ist echt gut gelaufen.“
Zu guter Letzt noch ein lebenswichtiger Ratschlag
Eines möchte Arnulf von Schumann zu guter Letzt noch mit auf den Weg geben: „Nicht immer ist sicher, ob durch den Abriss eines Fahrdrahts auch die Spannung weg, also der Fahrdraht stromlos ist. Bei so massiven Schäden ja, aber bei kleineren nicht zwingend. Ich bitte deshalb alle, den Fahrdraht keinesfalls anzufassen. In dem Fall, war ein Kollege von uns betroffen. Er stand mit seinem Pkw zufällig am Fahrbahnrand, als ein Ende des Fahrdrahts auf seinem Kofferraum zum Liegen kam. Er blieb vernünftigerweise sitzen. Das Okay zum Aussteigen geben entweder wir oder die Feuerwehr. So lange man im Auto ist, ist man sicher. Stichwort: Faradayscher Käfig.“
Text: Elisabeth Seitzinger
Foto: Daniel Karmann