Minimalismus, Frugalismus und ÖPNV – was das miteinander zu tun hat? Wir haben nachgefragt

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Unter dem Lifestyle-Trend Minimalismus können sich viele etwas vorstellen. Aber was ist eigentlich Frugalismus? Und was hat beides mit dem ÖPNV zu tun? Antworten auf diese Fragen und wie man den Weg in den Minimalismus findet, kennt die Fürtherin Rena Münch. Sie ist Autorin, Mentorin und Expertin für Minimalismus und Frugalismus.

Fangen wir an: Was ist Frugalismus?

Frugalismus ist eine Lebensform. Das Wort kommt vom englischen Begriff frugal und bedeutet sparsam und genügsam. In der Finanzkrise 2008 hat sich in Amerika die FIRE-Bewegung gegründet. Es bedeutet Financial Independence, Retire Early; das Motto: Sparsam leben und dadurch eine hohe Sparquote erzielen. Das ist der Frugalismus.

Was unterscheidet den Frugalismus vom Minimalismus?

Minimalismus bedeutet, dass man sich aufs Wesentliche konzentriert, sich von unnötigem Ballast verabschiedet. Es geht gar nicht so sehr ums Geld. Denn die Sparsamkeit kommt beim Minimalismus eher automatisch, weil man sich nur Dinge kauft, die man wirklich braucht und so grundsätzlich weniger Geld ausgibt. Minimalisten fragen sich immer: Was hat einen Wert für mich? Brauche ich die Dinge, die ich habe, wirklich?

Kaufen Minimalist*innen und Frugalist*innen immer besonders billig ein, um sparsam zu sein?

Nein, eher im Gegenteil. Wer minimalistisch und frugalistisch lebt, legt Wert auf Qualität. Denn beide Lebensformen sind zwar sparsam, aber nicht billig. Man achtet sehr auf eine hohe Langlebigkeit der Produkte und darauf, Ressourcen zu schonen.

Ich stelle es mir schwierig vor, mit Minimalist*innen und Frugalist*innen beispielsweise Essen zu gehen, spätestens wenn es ums Zahlen geht.

Mit ihnen essenzugehen ist nicht anders als mit anderen Menschen. Sie laden auch zum Essen ein und zahlen. Gerade dann, wenn sie schon ein gutes finanzielles Polster aufgebaut haben. Großzügigkeit steht nicht im Widerspruch zu den beiden Lebensstilen.

Wie bist du dazu gekommen, dein Leben umzustellen?

Angefangen habe ich mit dem Frugalismus und bin so zum Minimalismus gekommen. Und deshalb fasse ich beide Lebensbereiche auch zusammen. Ausschlaggebend waren Schulden in Höhe von fast 10.000 DM, die ich bereits mit Anfang 20 angehäuft hatte.

Was ist passiert?

Als junge Frau habe ich lange gespart, um mir einen riesigen Traum zu erfüllen. Ich wollte mit einem leeren Koffer und einer Freundin nach New York fliegen und mit einem Koffer voller Kleidung zurückkommen. Kleidung, die man damals nur dort bekommen hat. Das Internet in der Form, wie wir es heute kennen, gab es ja noch nicht. Ich habe dafür fast 6.000 DM angespart. Als ich wieder daheim war, habe ich aber weiterhin viel ausgegeben, vor allem für Kleidung. Bis ich irgendwann knapp 10.000 DM Schulden hatte.

Ich stelle mir das schwer vor, da wieder rauszukommen.

Meine Bank rief mich an und da wusste ich: Das muss aufhören. Für mich war das der Startschuss in ein neues Leben. Gemeinsam haben wir einen Plan ausgearbeitet, dass ich meine Schulden so schnell wie möglich begleiche; ich habe sie innerhalb von eineinhalb Jahren abgebaut. Zu dem Zeitpunkt habe ich auch angefangen, mich in das Thema Finanzen und Sparsamkeit einzufuchsen. Es war wie so ein Switch, von null auf hundert.

Hast du seitdem neue Schulden gemacht?

Ich hatte seither nie mehr Konsumschulden. Stattdessen ein neues Mantra: Schulden sind schlecht. Das ging aber auch soweit, dass ich beim Kauf unseres Eigenheims anfangs ein unwohles Gefühl hatte, weil wir es natürlich nicht cash bezahlt haben, sondern auf dem normalen Wege finanziert.

Wie würde deine New York-Geschichte heute aussehen, wenn du jetzt mit einem leeren Koffer fliegen würdest?

Mir einfach so einen Koffer voller neuer Kleidung kaufen, das ist Konsum pur. Das würde ich nie mehr tun. Wäre ich heute in New York, würde ich die Malls und Shoppingmeilen meiden. Das ist für mich Stress pur. Ich habe einen neuen und anderen Fokus auf meine Bedürfnisse gelegt. Das sind zum Beispiel die Natur oder Museumsbesuche, die mir mehr bedeuten.

Fahren Minimalist*innen nur noch mit dem ÖPNV?

Ja, Minimalist*innen fahren kaum oder wenig mit dem Auto. Sie nutzen den ÖPNV, das Fahrrad oder gehen zu Fuß. So werden sie auch automatisch bewusster im Umgang mit der Umwelt, der Natur, mit unseren Ressourcen.

Wo fängt bei dir der minimalistische Grundgedanke an, wenn es um Mobilität geht?

Jemand hat beispielsweise ein Auto. Und weiß jetzt nicht, soll ich vielleicht das Auto abschaffen und mehr ÖPNV fahren. Dann ist die Antwort ja. Ein Auto hat nicht nur Anschaffungskosten, es fallen Kosten für den Unterhalt an und fürs Tanken. ÖPNV bietet sich deshalb an, weil wir dabei meiner Meinung nach Geld sparen.

Aber nicht nur Geld. Auch Zeit, oder?

Ganz klar. Wenn wir mit Bus und Bahn unterwegs sind, sparen wir Zeit für uns. Wir können so viel machen: entspannen, Podcast hören – das mache ich zum Beispiel. Am Ende zahlt der ÖPNV immer auch auf das Thema Umwelt- und Ressourcenschonen ein.

Was treibt Minimalist*innen an?

Der Minimalismus hat viele Facetten, hat verschiedene Motivationen. Jede*r lebt aus einem anderen Grund minimalistisch. Es ist aber doch so, dass die meisten, die minimalistisch leben, das Thema Mobilität im Fokus haben. Sie versuchen, ihren Alltag so gut wie möglich ohne Auto zu gestalten und setzen auf den ÖPNV.

Du coachst Leute. Was sind das für Menschen, die zu dir kommen?

Es kommen verschiedene Menschen zu mir. Junge Menschen, die gerade ihren ersten eigenen Haushalt gründen und merken, sie besitzen und kaufen zu viel. Es sind auch Menschen, die sehr gut verdienen und mit dem Thema Lifestyle-Inflation zu tun haben. Das heißt, dass man mit steigendem Gehalt, beispielsweise immer größere und teurere Autos kauft, eben weil man es sich leisten kann. Aber warum man das macht und ob es einem selbst gut tut, das weiß die Person nicht. Es gibt Menschen, die überfordert sind, weil sie über die Jahre viel angesammelt haben und Probleme damit haben, loszulassen.

Was vermittelst du den Menschen?

Ich will ihnen den minimalistischen Lebensstil näherbringen und ihnen zeigen, was sie dadurch gewinnen. Denn es ist ein Gewinn an Zeit, ein Gewinn an Geld, wir schonen die Umwelt und Ressourcen. Und am Ende werden sie durch diese Lebensweise bestimmt ein Stück weit zufriedener, glücklicher und leichter auf eine bestimmte Art und Weise.

Glaubst du, Minimalismus und Frugalismus sind eine Modeerscheinung?

Ressourcen- und umweltschonend leben ist meiner Meinung nach längst kein -schnelllebiger Trend mehr, dafür ist es viel zu wichtig. Immer mehr Menschen wollen die Welt so hinterlassen, dass auch anderen hier später noch gut leben können.

Was ist dein Tipp, um mit Minimalismus zu starten?

Man kann jeden Tag damit starten. Ausmisten im eigenen Kleiderschrank ist ein guter Anfang. Dafür eignet sich eine Übung namens „10-Minuten-Minimalismus“. Also zehn Minuten, zum Beispiel bei der Lieblingsmusik, Schränke und Schubladen öffnen – und alles, was spontan weg kann, herausnehmen. Anschließend in Kategorien aufteilen und entweder entsorgen, verschenken oder verkaufen. Minimalismus braucht Zeit, wenn wir uns aber täglich damit beschäftigen, können wir unser Leben nachhaltig erleichtern.

Hörtipp: Radiomoderator und Busfahrer Stefan Meixner hat mit Rena Münch gesprochen – ein sehr spannendes Interview. 

Autorin: Yvonne Rehbach 
Foto: Rena Münch 

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