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Nach 50 Jahren: Wir haben unsere letzten beiden U-Bahn-Züge der ersten Nürnberger Baureihe DT1 aus dem aktiven Dienst in den (Un-)Ruhestand verabschiedet worden. Anders als 62 weitere Züge dieser Generation werden wir diese beiden Fahrzeuge weiterhin pflegen und bei Sonderveranstaltungen einsetzen, vermieten, aber auch im Alltag zum Schmieren der Gleise fahren. Die Pegnitzpfeile, wie sie oft liebevoll genannt worden sind, haben uns 50 Jahre treue Dienste geleistet.
Ein U-Bahn-Wagen für München und Nürnberg
Am 24. November 1965 ist im Nürnberger Stadtrat nach jahrelanger Diskussion die Entscheidung für eine klassische U-Bahn gefallen, die auf eigener Trasse größtenteils unterirdisch fahren sollte. Was viele nicht wissen: Das „U“ steht für unabhängig und nicht für unterirdisch. Im Sommer 1966 beschloss der Stadtrat, sich den Überlegungen der Münchener Verkehrsbetriebe für die U-Bahn-Züge anzuschließen und gemeinsam mit München einheitliche Fahrzeuge zu beschaffen.
Mit der Entscheidung waren die Breite und Länge festgelegt. 2,90 Meter breit und 18 Meter lang sollte der einzelne Doppeltriebwagen sein. Während sich München aufgrund der höheren Prognose der Fahrgastzahlen entschieden hatte, bis zu drei Doppeltriebwagen zu koppeln, beschlossen wir in Nürnberg, aus zwei Doppeltriebwagen einen Langzug zu bilden. Aber auch als Kurzzüge sollten sie unterwegs sein, denn gerade in der Anfangszeit waren Strecke und Fahrgastaufkommen überschaubar. Von Beginn an wurden die Bahnsteig- und die Wagenhöhe optimal aufeinander abgestimmt, so dass Menschen im Rollstuhl teils ohne Hilfe einsteigen konnten.
Die erste Serie
Die ersten beiden Doppeltriebwagen lieferte der Hersteller MAN am 4. November 1970 von der Frankenstraße über Eisenbahngleise direkt in unseren neuen U-Bahn-Betriebshof Langwasser. In der Folge machten sich unser Werkstattpersonal und unsere ersten Fahrer mit den Zügen vertraut.
Von der ersten Baureihe DT1 haben wir über die Jahre insgesamt 64 Fahrzeuge bekommen. Die erste Lieferung bestand aus 14 Fahrzeugen. Diese wie 18 weitere Fahrzeuge verfügten über einen Gleichstromantrieb. Die dritte Serie, die wir zwischen 1979 und 1984 in Betrieb genommen haben, war mit einem deutlich robusteren und effizienteren Drehstromantrieb ausgestattet. Mit der Drehstromtechnik haben wir definitiv Technikgeschichte geschrieben. Ein Team von Mitarbeitern war treibende Kraft dieser Innovation, die betrieblich nur Vorteile hatte, weil Strom beim Bremsen in die Stromschiene zurück gespeist werden konnte. Gleich- und Drehstrom angetriebene Züge konnten dennoch zusammen gekuppelt werden. Nicht unwichtig für die Flexibilität im Betrieb.
Neuerungen bei der dritten Serie der Pegnitzpfeile
Die Züge der dritten Serie hatten einige Besonderheiten: Die beiden Wagenteile eines Doppeltriebwagens erhielten über der Kurzkupplung Fenster. So konnte die Fahrgäste von einem in den anderen Wagenteil sehen, was sie angenehm fanden. Die Fahrzielanzeigen wurden automatisiert über sogenannte Rollbandanlagen anstelle der Richtungsschilderkästen, die bei jedem Richtungswechsel manuell bestückt werden mussten. Schließlich bauten wir die automatischen Rollbandanlagen auch in den älteren Fahrzeugen ein.
DT1: robust und langlebig dank perfekter Wartung
Die Fahrzeuge der Baureihe DT1 haben sich als überaus robust und langlebig gezeigt. Sie fuhren zwischen 3,5 und 4,5 Millionen Kilometer. Diese Laufleistung ist nur möglich, weil sie von unserem Team der Werkstätten für Schienenfahrzeuge über fünf Jahrzehnte gehegt und gepflegt worden sind.
Schienenfahrzeuge werden mechanisch für eine Lebensdauer von ca. 35 Jahren ausgelegt – weit länger, als die Nutzungsdauer vieler privater Pkw. Insbesondere der Wagenkasten und die Drehgestelle sind während des Betriebs erheblichen Beanspruchungen und Kräften ausgesetzt. Auch wenn man es sich nur schwer vorstellen kann: Bei jeder Fahrt biegt sich der Wagen etwas hin und her. Mit der Zeit ermüdet das Material; ähnlich einer Büroklammer, die man hin und her biegt. Die mechanischen Belastungen erfordert eine ständige und akribische Instandhaltung. Diese wird mit zunehmendem Lebensalter aufwändiger und schließlich wird sie so groß, dass sie nicht mehr wirtschaftlich vertretbar ist.
Fehlende Ersatzteile
Auch bei elektrischen Komponenten endet irgendwann die Möglichkeit der Instandsetzung: So konnten wir die Elektrokomponenten der Drehstromantriebe der ersten Generation – Kernstück eines U-Bahn-Wagens – nach rund 40 Jahren nicht mehr instand setzen, da diese nicht mehr hergestellt wurden. Ein kompletter Austausch der Elektrotechnik wäre deshalb erforderlich gewesen. Und noch ein Grund, warum wir von der ersten Generation nach 50 Jahren Abschied nehmen mussten: Moderne Antriebssysteme sind deutlich energiesparender. Man kann es gut mit einem Kühlschrank vergleichen: Auch wenn ein alter Kühlschrank aus den 1990er Jahren technisch noch funktioniert, ist es energetisch sinnvoll, diesen zu ersetzten, weil damit viel Energie gespart werden kann. Bei U-Bahnen ist es ähnlich.
Moderne Gliederzüge ersetzen die DT1-U-Bahnen
Bereits ab 2010 haben wir eine Ersatzstrategie für unsere alten U-Bahn-Wagen begonnen. Es folgte ein langer Planungs- und Beschaffungsprozess, was bei Schienenfahrzeugen normal ist. Ende vergangenen Jahres ging schließlich der letzte von 35 neuen Gliederzügen (G1) in den Fahrgastbetrieb. Bis dahin galt es aber die Züge aus den 1970er Jahren wirtschaftlich und technisch so lange als möglich zu nutzen. Die U-Bahnen durften nicht wegen irreparabler Schäden oder nicht mehr aufzutreibender Ersatzteile stehen. Denn dann hätten wir den Fahrgastbetrieb einschränken müssen. Mit dem absehbaren Einsatz der G1-Züge verzichteten wir auf nicht zwingend erforderliche Instandsetzungen an den DT1 und vermieden so unnötige Kosten. Möglich war dies nur, weil unser Werkstattteam großes Know-how und viel Erfahrung mit den Fahrzeugen und den Komponenten hat. Züge, die wir ausmusterten, dienten als Ersatzteillager.
Abschied vom DT1 auf Raten
Alle Pegnitzpfeile – bis auf einen Doppeltriebwagen, der durch einen Brand zerstört worden ist – konnten dank der guten Instandhaltung durch das Team der U-Bahn-Wagenwerkstatt bis zum geplanten Lebensende im Einsatz bleiben. Die Fahrzeuge der ersten Serie wurden ab 2010 fachgerecht recycelt, wie in den vergangenen Jahren sukzessive mit der Inbetriebnahme von G1-Fahrzeugen, die der Serien 2 und 3. Bis eben auf die zwei, die als sogenannte Museumszüge erhalten werden. Einer wurde 1975 gebaut, hatte ursprünglich die Wagennummer 443/444, jetzt 587/588, der andere, Baujahr 1984, ging mit der Wagennummer 523/524 an den Start und hat heute die Nummern 575/576. Sie gehen nun in den verdienten (Un-)Ruhestand – nach 48 bzw. 40 Jahren im Dienst für die Fahrgäste. Bei den Doppeltriebwagen handelt es sich um einen Gleich- und einen Drehstromzug.
U-Bahn ist fit für die Zukunft
Die Flotte unserer Nürnberger U-Bahn ist mit der Inbetriebnahme der Gliederzüge nun fit für die nächsten Jahrzehnte – für zusätzliche Fahrgäste und mehr Fahrten. Rund 220 Mitarbeiter*innen in unseren Werkstätten für Schienenfahrzeuge engagieren sich tagtäglich für einen zuverlässigen und sicheren Betrieb der U-Bahnen und Straßenbahnen. Auch künftig sind die regelmäßige Wartung, Reparatur und Pflege der Fahrzeuge das A und O. Die Werkstatt bietet unseren Beschäftigten dafür beste Bedingungen mit modernen Arbeitsplätzen und einer qualifizierten Aus- und Weiterbildung. Die modernen U-Bahn-Züge mit elektronischer Steuerung und Diagnosesystemen erleichtern unserem Werkstattpersonal die Arbeit und helfen die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge weiter zu erhöhen. Da nur noch zwei U-Bahn-Generationen, die DT3/DT3F für den automatisierten Betrieb sowie die G1 für den Betrieb mit Fahrer*innen, beherrscht werden müssen, wird manches einfacher. Das gilt auch für die Ersatzteilhaltung, die zudem günstiger wird.
Dennoch gibt es auch künftig genügend Herausforderungen für das Werkstattteam. Gerade elektronische Komponenten haben heute eine immer kürzere Lebensdauer. Für den Betrieb der Fahrzeuge über rund 35 Jahre müssen laufend Ersatzkomponenten gesucht, qualifiziert und in die Fahrzeuge integriert werden. Wir sind dafür gut gerüstet, z. B. mit einem modernen Informations- und Kommunikations-Labor. Hier simuliert sie beispielsweise die gesamte Netzwerktechnik eines Fahrzeugs für Fahrgastinformationssysteme und testet neue Komponenten. So ist garantiert, dass diese Systeme nach Einbau einwandfrei funktionieren.
Wehmut zum Abschied der DT1
Trotz der vielen neuen Herausforderungen ist für viele unser Team der U-Bahn-Wagenwerkstatt der Abschied vom DT1 mit Wehmut verbunden. Viele Mitarbeiter*innen haben die Fahrzeuge durch ihr gesamtes Berufsleben begleitet. Es gibt viele Erinnerungen und Erlebnisse. „Als Werkstattteam haben wir die Züge 50 Jahre gehegt und gepflegt und waren dabei immer zum Erfolg verpflichtet. Wir mussten für jeden noch so herausfordernden Fehler, jedes Problem möglichst eine gute Lösung finden, und wir haben es“, sagt Thomas Luber, Geschäftsbereichsleiter Werkstatt Schienenfahrzeuge bei der VAG, rückblickend und durchaus stolz auf die gemeinsame Leistung.
Autorin: Elisabeth Seitzinger
Foto: VAG-Archiv
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