U-Bahn-Betrieb braucht weniger Fahrstrom

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Ein spezifischer Aspekt nachhaltiger Mobilität steht bei der Europäischen Mobilitätswoche, die vom 16. bis 22. September stattfindet, im Fokus: „Save Energy – Energie sparen“. Ein Aspekt, den wir gerne aufgreifen. Der ÖPNV in Nürnberg wird besser, effizienter und grüner. Das Hauptmotto der Europäische Mobilitätswoche, bei dem alle mitmachen können, lautet: „Mix and Move! – klimafreundlich mobil“. Logisch gerne mit dem klimafreundlichen ÖPNV.

Heute geht es um den Energieverbrauch von U-Bahnen. Das ist wie bei allen Verkehrsmitteln grundsätzlich schon immer ein Thema. Aus drei Gründen: Aus wirtschaftlichen Gründen, weil Energie, die nicht verbraucht wird, nichts kostet. Zweitens seit spätestens den 1970er-Jahren mit Blick auf Luft, Umwelt und Klimaschutz, denn was nicht verbraucht wird, belastet auch nicht. Und schließlich, drittens, um grundsätzlich endliche Ressourcen zu sparen und weniger abhängig zu sein. Hier brachte auch die Ölkrise in den 1970er-Jahren Bewegung ins Thema.

Heute eröffnen Digitalisierung und Automatisierung tatsächlich noch einmal neue Potenziale. Aber zunächst ein Blick zurück, zu den Anfängen.

Drehstromantriebs senkt Stromverbrauch

Manchmal ist ein Rückblick zum Verständnis gut und richtig: Denn wir sehen, dass bereits frühere Generationen den Energieverbrauch im Fokus hatten. Da die VAG bei diesen Innovationen immer vorne mit dabei war, können wir noch heute auf deren Entwicklungen aufbauen und profitieren nach wie vor.

Einen ersten Erfolg, den Energieverbrauch von Straßen- und U-Bahnen zu senken, gab es bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren. Der Grundstock für die innovative Entwicklung wurde in Nürnberg gelegt. Der findige und nie ruhende Oberingenieur Jörg Amler, damals Leiter der VAG-Straßenbahnwerkstatt, war Treiber dieses Themas und hatte deshalb auch die Projektleitung der Forschungsgemeinschaft zur Entwicklung energiesparender Antriebe inne. Maßgeblich beteiligt waren die VAG, AEG und Siemens sowie die Verkehrsbetriebe Berlin, Hannover und München.

Zehn bis 30 Prozent weniger Strombedarf

Die Innovation von damals hieß Drehstromantrieb und die verlustlose Regelung von Bahnantrieben. Der Drehstromantrieb wurde in Verbindung mit einer energiesparenden und rückspeisefähigen, elektronischen Umrichtersteuerung 1975 erstmals bei einer Straßenbahn in Nürnberg erprobt. Seit 1981 ist er bei Nürnberger U-Bahn-Zügen Standard. Zuvor waren die Züge mit Gleichstromantrieb mit Vorwiderstandssteuerungen unterwegs, bei denen die Energie beim Bremsen in vorgeschalteten Widerständen vernichtet werden musste.

Die „voll-elektronisch“ gesteuerte Drehstromtechnik ist im Vergleich zum Gleichstromantrieb mit Vorwiderstandssteuerung wartungsarm und reduziert vor allem den Energieverbrauch deutlich. Zwischen zehn und 30 Prozent, so die damaligen Berechnungen, lag die erwartete Einsparung.

So funktioniert Sparen bei Straßenbahn und U-Bahn

Wie funktionierte diese überzeugende Innovation? Bei Straßenbahnen und U-Bahnen wird über die Motoren ohne weitere Verluste die beim Bremsen freiwerdende Energie wieder zurück in die Stromschiene gespeist. Idealerweise nimmt diese Energie ein gerade in der Nähe anfahrender Zug ab und zieht keine weitere elektrische Energie aus dem Netz des Versorgers.

Zwischenbilanz

Die Möglichkeit, Bremsenergie überhaupt zu nutzen, war definitiv ein innovativer Schritt.  Die Erfahrungen mit der Rückspeisung über die Jahre waren zufriedenstellend. Heute wissen wir definitiv, dass es noch Potenzial gibt, das wir künftig heben wollen. Die Voraussetzungen sind gut: Seit Anfang dieses Jahres ist keine U-Bahn mehr mit Gleichstromantrieb im Regelbetrieb. Das ist ohne weiteres Zutun positiv für den Gesamtstromverbrauch der U-Bahn. Und es gibt das Projekt eResourcing, das weitere Potenziale heben wird.

Projektpartner eResourcing

Das zusätzliche Potenzial will ein Kooperationsprojekt der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg, des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) nutzen. Die beiden Einrichtungen bündeln dabei ihre Expertise in der Entwicklung mathematischer Optimierungsalgorithmen und deren Umsetzung in die Praxis.

Dabei ist die umfangreiche Analyse von Fahr- und Streckendaten Voraussetzung, um den Energieverbrauch von U-Bahnen nennenswert zu reduzieren. Mittels mathematischer Modelle werden die verfügbaren Daten ausgewertet, also der Fahrplan, die Fahrzeiten, der Energieverbrauch der Züge und die zur Verfügung stehende Bremsenergie. Auf Basis der Analysedaten wird zunächst der Fahrplan für die automatischen U-Bahn-Linien bis ins Detail ausgearbeitet sowie Bremsen und Anfahren von zwei Zügen sekundengenau aufeinander abgestimmt. Logisch auch für alle anderen, die unterwegs sind.

Diese entwickelten Optimierungsmodelle zeigen ein signifikantes Einsparpotenzial im Energieverbrauch auf, dessen Hebung sich für die VAG in deutlich niedrigeren Stromkosten auszahlen wird. Unter optimalen Bedingungen ist so eine signifikante Reduktion des Verbrauchs möglich. Der eingesparte Ökostrom steht dann für andere zur Verfügung. Positiv wiederum für Umwelt und Klima.

Erste Ergebnisse des eResourcing

Inzwischen wissen wir durch erste Optimierungen und Tests, dass es tatsächlich möglich ist, noch mehr Energie zu sparen als bisher. Ganz einfach, weil es nicht mehr dem Zufall überlassen ist, ob ein bremsender Zug seine Bremsenergie auf kurzem Weg an einen anfahrenden Zug abgeben kann oder nicht.

Die von den Partnern FAU und ISS entwickelte Optimierungssoftware ist seit Juli in unserem Fahrplanbüro im Einsatz. Seitdem können alle Soll-Fahrpläne direkt bei der Erstellung energetisch optimiert werden. Aktuell läuft die Erprobungs- und Verbesserungsphase. Dazu werten FAU bzw. IIS zahlreiche Daten aus dem täglichen Betrieb wie Fahrzeiten, Fahrzeugeinsatz und Energieverbrauch aus. In den nächsten Wochen und Monaten wird der Energieverbrauch laufend beobachtet und ggf. soll dann über ein Nachsteuern der Parameter in der Software weiter reduziert werden.

Inzwischen Forschungsprojekt

Seit Ende 2022 fördert das Bundesforschungsministerium im Projekt EKSSE eine Weiterentwicklung, um weitere Einflussfaktoren zu berücksichtigen und die Zugbewegungen in Echtzeit (Ist-Fahrplan) zu optimieren. Schön für alle Projektbeteiligten und damit auch für uns. https://www.scs.fraunhofer.de/de/referenzen/EKSSE.html

Zukünftig auch im konventionellen Betrieb mehr Sparen

Inzwischen gibt es auch Überlegungen, die Optimierung auf die U1 auszuweiten. Die Realisierung ist allerdings komplexer, weil im konventionellen Bereich nicht ein Automat sekundengenau nach Vorgabe fährt, sondern die Züge von Menschen gefahren werden.

Weitere Informationen

Wenn Sie sich vertieft informieren wollen: In einem Interview erzählen Dr. Andreas Bärmann, Experte für Mathematische Optimierung am Fraunhofer IIS, und Frederik Nöth, Referent für Technik und Innovation bei der VAG, wie sich mithilfe des eResourcings die verfügbaren Daten nutzen lassen, um den Energieverbrauch im U-Bahn-System mittels mathematischer Modelle zu optimieren.

Links:

Energieeffiziente Fahrplanoptimierung (fraunhofer.de)

eResourcing: Energiekostenoptimierung durch eResourcing – Sparsam durch den Tunnel (fraunhofer.de)

Hier finden Sie das White Paper zum Projekt.

Das Projekt »Energieeffiziente Fahrplanoptimierung im Nürnberger U-Bahn-Verkehr« wurde mit dem  Innovationspreis »Intelligenz für Verkehr und Logistik« des Center for Transportation & Logistics Neuer Adler e.V. (CNA) / Cluster Bahntechnik ausgezeichnet.

In der ADA Lovelace Center-Applikation »Fahrerassistenzsysteme im Schienenverkehr« sollen Algorithmen entwickelt werden, mit deren Hilfe die Steuerung der Zugabfahrten in den Bahnhöfen sowie der Fahrten auf der Strecke in Echtzeit erfolgen soll, realisiert durch Fahrerassistenzsysteme.

Komfort erfordert Energie

Zu guter Letzt aber noch ein Hinweis und ein Eingeständnis: Der größere Komfort, den wir unseren Fahrgästen bieten, bringt in der Regel auch einen höheren Verbrauch. Das gilt für Fahrgastinformationssysteme wie für die Klimatisierung.

Das ist im betrieblichen Alltag manches Mal ernüchternd, wenn man nur einzelne Aspekte betrachtet. So formulierte der Leiter der Schienenwerkstätten Thomas Luber auf unsere Frage, wo sein Bereich denn Energie spare mit Blick auf die Fahrzeuge: „Das Thema Energiesparen begleitet uns ständig. Auch bei Neubestellungen. Aber nüchtern betrachtet, brauchen neue Fahrzeuge absolut gesehen immer mehr Strom. Die Hersteller und wir versuchen beispielsweise über das Gewicht Einsparungen vorzunehmen, aber dann werden Klimaanlagen eingebaut – was angesichts der heißen Sommer sinnvoll ist. Diese erhöhen das Fahrzeuggewicht und brauchen im Betrieb elektrische Energie. Und auch das Fahrgastfernsehen in den Zügen verbraucht Strom, ist aber sinnvoll, weil wir darüber auch unsere Fahrgäste informieren können.“

Nächster Beitrag

Im nächsten Beitrag geht es im weiteren Sinne um das Thema „Save Energy – Energie sparen“ der Europäischen Mobilitätswoche. Wir beziehen seit 2012 ausschließlich Ökostrom für die gesamte VAG und Bioerdgas für unsere Gasbusse. Dadurch schonen wir natürliche Ressourcen und zudem jede Menge CO2.

 

Text: Elisabeth Seitzinger 
Abbildung: VAG/Bruno Schwarz

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