Historische Busse – 100 Jahre Busbetrieb: erste Kraftwagen

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Historische Busse: An Jubiläen mangelt es uns bei der VAG derzeit nicht: 125 elektrischer Straßenbahnbetrieb im Jahr 2021, 50 Jahre U-Bahn-Betrieb im vergangenen Jahr und in diesem Jahr 100 Jahre Busbetrieb, 25 Jahre NightLiner und 15 Jahre automatischer U-Bahn-Betrieb.

Die Jubiläen bieten jede Menge Gelegenheiten zurückzublicken und sich über den Stellenwert und das Erreichte bewusst zu werden. Beim Blick in die Geschichte stellt man so manches Mal fest, dass die Themen, die uns heute beschäftigen, gar nicht so neu sind.

Dank eifriger Chronisten in der Belegschaft der vormaligen städtischen Verkehrsbetriebe und der VAG, unserem VAG-eigenen Archiv, aber auch des Archivs der Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e. V. sowie einer treuen Fangemeinde ist doch vieles aus der Geschichte gesichert. Ein Name, an dem man nicht vorbeikommt: Robert Binder, einer unserer ehemaligen Mitarbeiter, der sich als Chronist insbesondere für die Jahre 1920 bis etwa 1990 verdient gemacht hat.

Der Wagenpark

Robert Binder hat in einer Veröffentlichung zu „70 Jahre städtische Omnibusse in Nürnberg 1923 und 1993“ sowie in der liebevoll Binder-Bibel genannten Publikation „Der Stadtverkehr in Nürnberg und Fürth. 1881 bis 1981“ (1988) einige, wie wir meinen, interessante Informationen zum Fuhrpark zusammengestellt.

Gummibereift

Vier Trieb- und zwei Beiwagen waren für den neuen Kraftwagenbetrieb der Stadt Nürnberg im ersten Betriebsjahr ausreichend. Alle Fahrzeuge setzten auf einer Lkw-Plattform auf. Die Reifen waren Vollgummireifen, also noch ohne Hohlraum und Schlauch für die Luft. Das Fahren war damit nicht immer ein Vergnügen. Je schlechter der Untergrund, desto mehr rumpelte es in den Fahrzeugen. Bereits mit der nächsten Generation wurde die Luftbereifung Standard. Nur bei den Beiwagen blieb es zunächst bei Gummi- oder Elastic-Reifen, wie sie auch hießen.

Schlagdrehtür

Die neuen Busse waren zweifellos ein Fortschritt für all jene, die sich kein eigenes Auto leisten konnten – und das war die Mehrheit – und in den Vororten Nürnbergs lebten. Endlich kamen sie schneller ans Ziel. Das Thema Komfort war anfangs noch nicht im Fokus. Die Türen mussten von Hand geöffnet werden, gingen nach außen auf. Es gab auch einen schönen Namen dafür: Schlagdrehtür. Beim Triebwagen war sie vorne, nach dem Motor und dem Fahrerarbeitsplatz, platziert. Beim Beiwagen mittig. Für Service sorgten die Schaffner, die die Türen öffneten und die Fahrscheine verkauften.

Apropos Fahrerarbeitsplatz: Der war anfangs rechts und wanderte erst 1928 nach links.

Motor, Bremse und Heizung

Die Kraftwagen der ersten Generation hatten einen Vierzylinder-Vergasermotor mit 37 / 40 PS. Hersteller des Motors war MAN-Sauer.

Zum Bremsen trat der Fahrer auf die Fußbremse, die auf das Getriebe wirkte. Die Handbremse wirkte auf die Hinterräder und diente vor allem im abgestellten Zustand als Bremse. Und der Beiwagen, der mittels eines einfachen Durchsteckbolzen an den Triebwagen gekuppelt war, wurde über die Handbremse und ein gekuppeltes Seil zum Stehen gebracht.

Luxus war übrigens die Auspuffheizung für den Triebwagen. Die warmen Rauchgase erwärmten diesen, selbstverständlich über ein Austauschmedium und nicht direkt. Im Beiwagen blieb es kalt.

Nächste Wagengeneration

Die ab 1924 beschafften Fahrzeuge zeichneten sich schon durch stärkere Motoren (45 PS) und Luftbereifung aus.

Die ersten Busse wurden von Benzin angetrieben. Ab 1928 war der Dieselmotor Standard. Robert Binder dazu: „Damit war wegen des niedrigeren Preises für einheimischen Dieselkraftstoff eine wirtschaftlichere Betriebsführung gegenüber dem teureren und dazu auch von der Auslandseinfuhr abhängigen Benzin gegeben.“

Einen Fortschritt hinsichtlich des Komforts für die Fahrgäste brachte das Niederrahmenfahrgestell. Robert Binder schreibt in einem 1969 in der Fachzeitschrift „Der Stadtverkehr“ erschienen Beitrag: „Erst als es der MAN (Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg) gelungen war, ein Niederrahmenfahrgestell mit möglichst geringer Einstiegshöhe und tiefer Schwerpunktlage zu entwickeln, wurde der Weg frei für den Bau von Fahrzeugen, die auch im dichten Stadtverkehr mit kurzen Haltestellenabständen und häufigem Fahrgastwechsel voll und sicher einsatzfähig waren. Dies wurde bereits 1925 Wirklichkeit.“ Die neueren, niedrigeren Kraftwagen waren auf den innerstädtischen Verbindungen im Einsatz. Die Kraftwagen der ersten zwei Betriebsjahre in Hochrahmenbauart fuhren im Vorort- und Überlandverkehr, mit größeren Haltestellenabständen und weniger Fahrgästen.

Fahrzielanzeige

Unter dem Stichwort Fortschritt lässt sich auch verbuchen, dass das Fahrziel nicht mehr mittels Stecktafel gesteckt werden musste, sondern ab 1929 mittels drehbarer Transparentbänder angezeigt werden konnte.

Einschnitt

Erfreute sich das Nürnberger Busnetz und der Bestand an Fahrzeugen bis 1929 eines Wachstums, erwies sich die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre als Einschnitt. Zur Erinnerung: Am 25. Oktober 1929, dem sogenannten Schwarzen Freitag, löste der Zusammenbruch New Yorker Banken die Weltwirtschaftskrise aus.

Die Folgen brachten rund um den Globus die Welt in erhebliche Schwierigkeiten. In Nürnberg waren die Folgen, wie überall anders, auch im öffentlichen Nahverkehr zu spüren: weniger Fahrgäste, weil sie sich die Fahrkarten nicht leisten konnten, kein weiterer Ausbau des Liniennetzes, keine neuen Fahrzeuge. Erst 1936 beschaffte der Verkehrsbetrieb, der damals noch Eigenbetrieb der Stadt Nürnberg war, wieder neue Fahrzeuge. Aber das ist das nächste Kapitel unserer einjährigen Reise durch die Busgeschichte in Nürnberg. Dieses Kapitel kommt im März.

Fundstücke

Übrigens. Wer in Schränken, im Keller oder auf dem Dachboden Fotos, Filme, Beiträge zur Nahverkehrsgeschichte in Nürnberg gesammelt hat und diese gerne der Nachwelt hinterlassen möchte, darf sich bei uns melden. Wir können nicht leugnen: Wir sind Sammler und Jäger. Hier unsere Kontaktdaten: VAG, Konzernkommunikation, 90338 Nürnberg, Elisabeth Seitzinger, 0911 271-3613, elisabeth.seitzinger@stwn.de

Unser eigenes Archiv und das der Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn sichert die Unterlagen.

Elisabeth Seitzinger
Foto: MAN-Werksfoto / VAG-Archiv

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